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Mittwoch 23.07.14
9:00 Uhr
Stadtarchiv-Ausstellung zum Sickenhäuser Rathaus von 1839
„… ist der Gemeinde ein eigenes Schulhaus anzusinnen.“



Abendkasse frei |
Beschreibung
Die Erbauung des heutigen Rathauses der Reutlinger Bezirksgemeinde Sickenhausen beginnt gemäß Überlieferung des Gemeindearchivs mit dem Lapsus einer übergeordneten Stelle. Als 1836 die oberste württembergische Kirchenbehörde ihre regulären Pfarrvisitationen durchführte, musste sie feststellen, dass es in Sickenhausen kein eigenes Schulhaus gab. Stattdessen bezog der Schulmeister für ein von ihm zur Verfügung gestelltes „Lehrzimmer“ Miete.
Das königlich evangelische Konsistorium in Stuttgart ließ daraufhin an die damals zuständige Oberamtsverwaltung eine Mahnung mit folgendem Wortlaut ergehen: „Da nun jede Schulgemeinde ein eigenes Schulhaus haben soll, so ist auch der Gemeinde Frickenhausen die Erbauung eines eigenen Schulhauses anzusinnen.“ Der Stuttgarter Schreiber hatte offenkundig die Namen von Sickenhausen sowie von Frickenhausen im damaligen Oberamt Nürtingen verwechselt.
Trotz behördlichem Tohuwabohu landete die Kritik schließlich bei der richtigen Stelle, nämlich dem Oberamt Tübingen, zu dem Sickenhausen bis 1938 gehörte. Die Gemeinde hat sich jedenfalls ab 1838 energisch an die Ausführung des angeordneten Bauvorhabens gemacht. Vom örtlichen Totengräber konnte ein geeignetes Grundstück erworben werden und 1839 wurde der Bau nicht nur begonnen, sondern im Wesentlichen auch fertig gestellt.
Die Rechnung für die krönende Rathausglocke datiert jedenfalls auf den 11. November 1839. Erworben wurde sie bei der Glockengießerei „Christian Adam Kurtz und Sohn“ in Reutlingen um 172 Gulden. Es sollte ein Schmuck- und Ausstattungsstück sein, das sich im Gegensatz zum Rathaus selbst nicht erhalten hat: Im Zweiten Weltkrieg musste sie die Gemeinde zwecks „Metallspende“ abliefern. Erst 2006 konnte eine neugegossene Glocke aufgehängt werden.
Architekt des Schul- und Rathauses von 1839 war der damalige Kreisbaurat Christian Friedrich Roth. Er erstellte den Kostenüberschlag und die „Risse“, nach denen das dreistockige Bauwerk als Fachwerkkonstruktion auf „Stockmauern“ im Erdgeschoss ausgeführt wurde. Nach Roths Plänen ist in jener Zeit auch das Schul- und Rathaus in Rommelsbach errichtet worden; eine Gemeinde, die damals ebenfalls zum Oberamt Tübingen gehörte.
Mit einer Wandvitrinenausstellung erinnert das Stadtarchiv ergänzend zu den geplanten Feierlichkeiten und Präsentationen in Sickenhausen selbst an die Errichtung des Schul- und Rathauses vor 175 Jahren. Zu sehen ist etwa die Baukostenrechnung von 1839/41 gemäß der sich die Gesamtkosten damals auf rund 8700 Gulden belaufen haben. Eine kleine Bildauswahl zeigt das Gebäude schließlich als Postkartenmotiv von der Jahrhundertwende ab bis in die Zeit um 1960.
Seit 1963 die Sickenhäuser Friedrich-Silcher-Schule eingeweiht werden konnte, dient das Gebäude in erster Linie der Gemeindeverwaltung. Bei allem Funktionswandel hat sich das ursprüngliche „Schul- und Rathhaus“ von 1839 als ein architektonisches Wahrzeichen der heutigen Reutlinger Nordraumgemeinde etabliert. Die kleine Archivalienschau ist bis Ende Juli vor den Diensträumen der Rathaus-Eingangshalle während deren Öffnungszeiten zu sehen.
Gerald Kronberger
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