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Freitag 08.07.11
19:00 Uhr
Linke Irrwege
Wir woll‘n doch nur wie die Deutsche Bank sein. Veranstaltung zu Begriff, Sache und Unwesen der Klasse



Abendkasse k.A. |
Beschreibung
Ganz im Gegensatz zur Arbeit hat der Begriff der Klasse schon seit längerem keinen besonders guten Leumund mehr. Vom Lob, mit dem die bürgerliche Klasse im Kommunistischen Manifest überschüttet wurde, hat sich diese bis heute nicht erholt. In ihm wurde die gesellschaftliche
Objektivität, die sie vertritt, als fortschrittlich gewürdigt, um im gleichen Schritt als überholt bezeichnet zu werden. Dies dürfte dazu beigetragen haben, dass sie mit wehenden Fahnen Abstand genommen hat von der Idee, Herrschaft könnte nicht nur autoritär, sondern auch zivil in
den Formen gesellschaftlicher Vermittlung ausgeübt werden.
Auf der Gegenseite sieht es kaum anders aus. Der immer wieder herbeigesehnte Klassenstandpunkt trägt seit langem den Makel, dass die Notwendigkeit des Umsturzes, die sich in einer antagonistischen Vorstellung vom Klassenverhältnis anmeldet, sich immanent nicht einmal
logisch erschließt, solange der zu beziehende Standpunkt widerspruchsfrei derjenige der Arbeit sein soll. Seit fast einem Jahrhundert würgt die marxistische Forschung nun schon an dem von Lukacs explizit gemachten Problem, dass das Proletariat Subjekt und Objekt der Geschichte zugleich sein müsste, um der ihm zugedachten Rolle gerecht zu werden. Tatsächlich aber hat es sich in der Realität als Subjekt permanent negiert, und ist so als Objekt reaktionär geworden. So wurden seine politischen Institutionen kompatibel mit den autoritären Formen der Herrschaft.
Dass heute all diese Probleme jene, die zum „Arbeiterkampftag“ unter dem Motto „Klasse gegen Klasse“ mobilisieren, nicht einmal mehr jucken, ist bezeichnend. Sie suhlen sich in heroischen und pathetischen Gesten und inszenieren sich als Träger einer Macht, die schon lange im Autoritären
Staat aufgehoben wurde. Ihr Proletariat ist, wie schon das der K-Gruppen in den 1970er-Jahren, jenes Zerrbild gesellschaftlicher Subjektivität, das die Bourgeoisie einmal vor sich selbst erschrecken ließ. Ihren zumeist männlichen Vertretern dürfte der nur noch durch Ikonographie hergestellte historische Bezug kaum einem anderen Zweck dienen als dem der Verklärung jener Zeit, als die Jungs der 8a noch was gegen die der 9b hatten.
Derartige üble Nachrede auf die Arbeiterbewegung zum Anlass zu nehmen, den Begriff der Klasse als zentrale Kategorie aufzugeben, wäre vorschnell. Gleiches gilt für das Gerede von SoziologInnen und Anverwandten, die positivistisch von Fahrstuhleffekten, Milieus und Mittelschichtszwiebeln reden, bloß um sich um die Frage herum zu rechnen, in welcher Beziehung das Privateigentum an Produktionsmitteln zur bestehenden gesellschaftlichen Form des Reichtums steht.
Warum gerade deswegen aber auch jenseits dieser Entwicklungen kaum etwas vom Begriff der Klasse geblieben ist, gilt es zu ergründen. Ausgangspunkt der Überlegungen soll Adornos Text „Reflexionen zur Klassentheorie“ sein. Dieser sah sich bereits 1942 genötigt, „den Begriff der Klasse selber so nah zu betrachten, dass er festgehalten wird und verändert zugleich“. Mit der Frage, wie es hierzu kam, was also der Anlass zu jener Reflexion der Klassentheorie war, sollen der Inhalt des Texts und die Bedeutung jener marxschen Kategorien erschlossen werden, die seinen Rahmen bilden.
Wie weit die damalige Diagnose trug, ist erschreckend. Inzwischen sind aber all die dort beschriebenen Tendenzen, die den Klassencharakter der Gesellschaft zum Verschwinden brachten, selbst Geschichte, und die Institutionen, die zur Verewigung dieser Geschichte beitragen sollten, im Mittelpunkt der aktuellen Krise und somit prekär. Dass dies zur Wiederbelebung der Klasse beigetragen wird, kann nur denken, wer ihr vorheriges Verschwinden nicht begreifen möchte.
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